Kategorie: Picture Book

DUNKEL von Lemony Snicket und Jon Klassen

Zu Beginn des Jahres 2014 ist das bereits 2013 auf Englisch bei Little, Brown and Company erschienene Buch „THE DARK“ nun auch  in deutscher Übersetzung als  „DUNKEL“  im Nord Süd Verlag  erschienen.

Und dies bietet Anlass zur Freude, denn die Geschichte von Lemony Snicket ist so einfach und amüsant geschrieben, wie es nur eben sein kann und hat dabei alles, was eine gute  Geschichte beinahe immer braucht: einen Anfang, eine Mitte und ein witziges und überraschendes Ende. Die Geschichte ist  stimmig von A bis Z , was nicht einfach ist – zumal, wenn es um ein so grundlegendes Thema wie die Angst der Kinder vor der Dunkelheit geht. Um hier nicht ins Didaktische abzurutschen muss man vor allem eines sehr gut können: Kinder verstehen. Und eben dies  kann Lemony Snicket.

Kaum zu erwähnen braucht man dabei, dass die Bilder von Jon Klassen nicht nur bezaubern. Mit einfachen Mitteln und gekonnter Reduktion sind sie der Geschichte überaus angemessen. Die Bilder knüpfen auf moderne Art an eine Ästhetik der sechziger Jahre an. Reverenzen zu frühen Warhol Illustrationen, aber auch zu Maurice Sendak, sind  erkennbar. Die einfachen Bilder stellen dabei eine erfreulich eigenständige Spielart im Bereich der zeitgenössischen Bilderbuchillustrationen dar, ohne in irgendeiner Weise über-modern oder aufdringlich schrill zu wirken. Ein angenehm leises Buch.

DER DRACHE VON AVIGNON von Heidrun Petrides und Jürgen Tamchina

Erschienen 1968 im Atlantis Verlag.
Bilder von Heidrun Petrides, Text von Jürgen Tamchina

Ein besonderes und unprätentiöses Buch. Die Bilder von Heidrun Petrides sind schlicht und wirken trotz vieler liebevoller Details angenehm unaufdringlich und bescheiden. Hier gibt es keine Effekte und lauten Farben und dennoch gelingt es den Illustrationen zu verzaubern und in eine längst vergangene Welt zu entführen. Die Geschichte handelt unter anderem von eben jener Brücke von Avignon, von der auch das berühmte Lied Sur le pont d´Avignon handelt. Im wesentlichen geht es aber um die Freundschaft eines kleinen Mädchens zu einem nicht ganz furchtbaren Drachen.

IL GRANDE GATTO von Sabine

IL GRANDE GATTO von Sabine ist bei Emme Edizione erschienen.

Das Buch wurde in Italien im Jahr 1973 herausgegeben und ist offenbar seither nicht wieder publiziert worden. Überhaupt findet man kaum Informationen über das Buch oder die Illustratorin mit dem schlichten Namen Sabine.

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Beeindruckend an diesem Bilderbuch sind die zeitlos schönen, naiven und liebevoll gearbeiteten Bilder. Vor allem fällt die ungewöhnliche Wahl der Perspektiven auf. Die ungewöhnlichen Blickwinkel überzeugen  genauso sehr wie die phantasievollen Größenverhältnisse. Die Farben sind sehr kräftig und pur, sie schaffen eine überaus eigene und ausdrucksstarke Stimmung. Die Figuren wirken seltsam steif, beinahe wie eingefroren in ihren Bewegungen und muten gerade deshalb sehr lebendig an. Auch dieses Buch hat wie ich finde eine selten anzutreffende Ursprünglichkeit, etwas beinahe archaisches, kraftvolles mit einer wohldosierten Priese Augenzwinkern und Humor. Alles erscheint hier wunderbar aus einem Guss und so erstaunt es nicht im Geringsten, dass Il Gato im Jahre 1973 rote Turnschuhe trägt, einer Zeit als Converse`s All Stars noch wenig en vogue waren.

Ich danke Valentina Gazzoni vom Kinderbuchblog L´Aeroplaneo di Biscotto, die die folgenden Abbildungen freundlicherweise zur Verfügung gestellt hat.

IL GRANDE GATTO

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EIN MÄRCHEN von Blexbolex

Zum Ende des Jahres 2013 ist bei Jacoby & Stuart das schmucke Bilderbuch „Ein Märchen“ von Blexbolex erschienen.

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Das Buch ist in mancherlei Hinsicht etwas Besonderes, weshalb es mich reizt, es hier vorzustellen. Als erstes fällt das liebevoll gestaltete Äußere des Buches auf: Das kleine Bilderbuch ist schön gebunden und bis zum Bersten mit schlichten, grafischen, Motiven gefüllt.  Die Darstellungen sind von beeindruckender Vielfalt, ein Umstand der gleichzeitig Segen  und Fluch des Buches ist: Blexbolex erzählt hier keine lineare Geschichte, sondern wagt eine mäandernde und an vielen Stellen ans irrational rührende und an die Archetypen der klassischen Märchenwelt angelehnte Erzählform. Dem Text der Geschichte gelingt es allerdings nicht, an eine zumindest gefühlte  innere Logik anzuknüpfen. Was die Bilder betrifft, schmerzt es einen beinahe, denn die wirklich schönen Darstellungen des Buches verlieren irgendwann zwangsläufig an Kraft, weil so viele starke Bilder aneinander gereiht sind. Es ist so, als sehe man 1000 starke Zeichnungen Picassos in einer Folge – eine Menge, die kaum ein Sterblicher zu bewältigen in der Lage ist.

Da das Buch sich ausdrücklich an Kinder und Erwachsene richtet, muss man fairerweise bemerken, dass Kinder mit dem Umfang und der Logik des Buches vielleicht weniger Probleme haben, da sie mit weniger strengem Raster an ein Buch herangehen als Erwachsene. Im besten Falle hält ein Kind ein beinahe enzyklopädisches Märchenbilderbuch in Händen, in dem es tatsächlich über Stunden neue  Bilddetails und Geschichten zu entdecken gibt.

Ein mutiges und ambitioniertes Buch welches sich genausogut im Bücherregal des grafisch versierten Erwachsenen als auch im Zimmer des stilsicher kultivierten Grosstadtkindes macht.

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MILLIONS OF CATS von Wanda Gag

Erschienen 1928 bei Coward-McCann Inc.

Ein weiterer amerikanischer Klassiker: Wanda Gags unnachahmlich eigensinnige Illustrationen sind sicherlich wieder einmal etwas für Liebhaber einfacher, aber mit autentischem Strich gezeichneter (teilweise mit Linolschnitt gefertigter) Bilder.
Die Geschichte ist seltsam und überraschend – und im besten Sinne ein wenig verrückt: Ein alter Mann geht auf die Suche nach einer Katze für sich und seine Frau. Statt lediglich eine Katze, findet er Millionen und sogar Billionen und Trillionen von Katzen, die ihm alle gefallen. Da er sich jedoch nicht für nur eines der Kätzchen entscheiden kann, nimmt er kurzentschlossen gleich alle mit – eine eigentlich gute Wahl, wenn es nicht letztlich doch gewisse Probleme mit sich brächte…

Millions of Cats ist das älteste amerikanische Bilderbuch, welches bis heute gedruckt wird.

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OBERPOTZ UND HOPPELHANS von Lilo Fromm und Christa Duchow

Erstmals erschienen bei Obpacher, 1962

Ein wildes, anarchisches und dennoch poetisches und sogar zärtliches Buch. Der Riese Oberpotz tut den Tieren des Waldes zwar allerhand furchtbare Dinge an, dennoch ist das Buch niemals beängstigend oder schockierend. Es gehört zu eben jenen Büchern, die Kindern etwas zumuten. Es will Kinder nicht für dumm verkaufen und ihnen eine heile und laue Welt vormachen. Es gehört auch nicht zu jenen Büchern, die auf Biegen und Brechen über ein emotional aufgeladenes Thema wie den Tod oder das Geborenwerden einfühlsam aufklären wollen. Oberpotz und Hoppelhans ist auf ganz selbstverständliche Weise wie das wirkliche Leben – furchtbar und liebevoll zugleich.

Sowohl die farbenstark expressionistisch anmutenden Bilder von Lilo Fromm, als auch die sensationell simple, aber raffinierte Sprache von Christa Duchow sind heute mehr denn je auf der Höhe der Zeit.  Und warum man dieses Buch unbedingt im Bücherregal haben sollte, braucht keine langen Worte: der unnachahmlich dumpfe  Gesichtsausdruck des in der Geschichte so gemeinen Riesen Oberpotz ist einfach unvergesslich! Schwer zu glauben, dass das Buch von 1963 ist. Ein absolut zeitloses Buch.

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MARATON von Karin Cyrén

Maraton von Karin Cyrén  ist 2009 erschienen.  Ein von der Grundidee sehr einfaches Buch mit künstlerischen, detailreichen und witzigen Bildern. An keiner Stelle rutscht es in kitschige oder belehrende Absichten ab, und eben dies ist selten zu finden und die große Kunst: ein Werk zu schaffen, das aus sich selbst heraus lebt. Dieses Buch will nicht gefallen, belehren, oder gar verklären.

Diese Geschichte passiert, ohne erklärt zu werden. Es ist einfach ein spannender Wettkampf, welchen es Spass macht zu verfolgen. Die am Maraton teilnehmenden Personen sind solch eigenwillige Charaktere, wie sie eigenwilliger nicht sein können. Sie sind aber nicht zu eigenwillig, was manch einem paradox erscheinen mag! Das Buch kommt völlig ohne Text aus, was der inneren Logik der Geschichte vollkommen entspricht: nicht reden – laufen! Man kann die LäuferInnen förmlich hören, wie sie sich verausgaben und schliesslich schwer atmend  das Ziel erreichen.

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MISS RUMPHIUS & HATTIE AND THE WILD WAVES von Barbara Cooney

Viking Books, 1982 und 1990.

Barbara Cooneys wunderbare Kinderbücher werden immer wieder zu Recht mit dem Sammelbegriff der Folk Art in Verbindung gebracht. Nicht nur die liebevoll detailierten Bilder im Stil des naiven Realismus legen diese Verbindung nahe; auch die Geschichten spielen meist auf dem Land und das zu einer Zeit, in der die Welt noch mit den einfachen und wesentlichen Dingen des Lebens auskam. Die Darstellungen wirken auf sonderbare Weise wie aus der Zeit gefallen.

So wenig modern die Bilder und Geschichten auch wirken mögen, sie sind doch absolut zeitlos, ohne jeden Manierismus und – wie alle Bücher die ich hier vorstelle – in Bezug auf das Zusammenspiel von Bild und Text wohl komponiert, wie aus einem Guss.

Die Bücher, die ich besitze und beide sehr liebe, sind das mit dem überaus renommierten National Book Award ausgezeichnete „Miss Rumphius“ und das etwas weniger bekannte „Hattie and the wild waves“.

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WIR KÖNNEN NOCH VIEL ZUSAMMEN MACHEN von Friedrich Karl Waechter

Erschienen bei Diogenes, 1978.

Friedrich Karl Waechter, einer der ganz großen deutschen Künstler im Bereich Kinderbuch und überhaupt. Ob Brülle ich zum Fenster raus, Der rote Wolf, Opa Huckes Mitmachkabinett oder eben Wir können noch viel zusammen machen:  Waechter ist nicht nur eine Institution in Sachen Antiautoritäre Erziehung, sondern auch schlicht und einfach ein großartiger Zeichner, melancholische Witze-  und Geschichtenerzähler.

Waechter ist zeitlos und tut allen Kindern gut! Wer noch keinen hat, sollte sich einen besorgen!

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