Schlagwort: Besonderes Bilderbuch

THE HAUNTED HOUSE oder GHOSTS IN THE HOUSE! von Kazuno Kohara

Erstmals veröffentlicht 2008 bei Macmillian Publishers Limited, London.
Der in England lebenden Japanerin Kazuno Kohara ist mit ihrem Bilderbuch Debüt in nur drei Farben ein riesiger Wurf in Linol gelungen. Hier in drei Sätzen die charmant lakonische Geschichte:

Eine Hexe zieht in ein Geisterhaus am Rande der Stadt. Alle im Haus wild lebenden Geister werden von ihr eingefangen, in die Waschmaschine gesteckt, in der Sonne auf der Leine getrocknet und bekommen dann sinnvollerweise Plätze als Gardinen, Tischtücher oder Decken im Haus zugewiesen. Von da an leben sie alle zufrieden und glücklich miteinander.

Eine wunderbar unerschrockene und unübertroffen pragmatische Hexe für Kinder ab 2 Jahren; am besten noch heute bestellen!

I MET A PENGUIN von Frank Asch

Originalausgabe 1972 bei MCGRAW-HILL, New York.
Seit 2015 in der ersten Auflage bei NIEVES & AL PASTOR.

Ein zu unrecht nicht sehr bekanntes Bilderbuch – und – eines der schönsten Kinderbücher, das ich seit Langem in die Finger bekommen habe.
Eine sanfte und poetische, sehr berührende Liebesgeschichte zwischen zwei verschiedenen Spezies, einem Löwen und einem Pinguin.

In der Geschichte passiert vieles zwischen den Zeilen und es ist deshalb auch sehr für Erwachsene zu empfehlen.
Da die Illustrationen auf das einfachste reduziert sind, erinnert es an eine Ästhetik der 90er Jahre, die sich bis heute großer Beliebtheit erfreut. Es wirkt dank Shrigley und Co deshalb sehr zeitgenössisch, obwohl es bereits in einer Zeit entstanden ist, als diese Ästhetik noch ganz anders wahrgenommen wurde als heute.

Die Frage die sich bei solch ambitionierten und leisen Büchern vielleicht für manche Eltern anschließt, ist die, wie man die farbverwöhnten Kinder heute an schwarz-weiß Bücher heran bekommt.  Aber da beginnt eben die Verantwortung der Eltern, die zum Großteil selber Entscheiden müssen, mit was für Bildern und Geschichten ihre Kinder aufwachsen sollen. Die lauten und grellen Bildwelten der Gegenwart bieten jedenfalls einmal mehr Gelegenheit, unseren Kindern wieder einmal ein anspruchsvolles, vielleicht auch schwarz-weißes Bilderbuch unterzujubeln- oder es einfach genüsslich selbst zu lesen.

Ein Muss im Kinderzimmer.

NIEMALS WILDE KATZEN KITZELN, von Marc Boutavant und Pamela Butchart

Zuerst in englischer Sprache 2015 bei Bloomsbury Publishing Plc. London als „Never Tickle a Tiger“, nun bei REPRODUKT auch in deutscher Übersetzung:

Und genau hier fällt als erstes einmal die wunderbare Übersetzung des Titels ins Deutsche auf. Der Text von Pamela Butchart  ist toll gereimt. Er macht Spass beim Vorlesen.

Die Bilder von Marc Boutavant scheinen auf den ersten Blick nicht sehr aus dem Trend des immer noch allgegenwärtigen 60er/ 70er Retro-Looks herauszufallen. Aber auf den zweiten Blick bemerkt man schon die Frische und Lebendigkeit der Darstellung. Die Kinder sind sehr individuell und auch die Tiere – ganz besonders der wunderbare, riesige Tiger – haben durchaus Charakter.

Darf man als Betrachter den Inhalt von der Form trennen? Die Geschichte geht natürlich mit den Bildern eine untrennbare Symbiose ein – und dennoch: mir fehlt am Ende der Geschichte ein ganz klein wenig die etwas überraschendere Wendung, die gelungene Pointe oder der allerletzte Schliff zur Rundheit der Geschichte. Obwohl eigentlich alles zu stimmen scheint. Aber das ist Nörgeln auf durchaus hohem Niveau; die freche Schnauze der jungen Hauptprotagonistin ist schon wirklich schön getroffen, und für mich hat das Buch allein dadurch einen überaus charmanten Touch.

NICK UND DER WAL von Benji Davies

Erstmals 2013 bei Simon and Schuster UK Ltd. London unter dem Titel „The Storm Whale“.

2014 in Deutsch im Aladin Verlag, Hamburg.

Hat alles, was ein Bilderbuch braucht. Ein hübsch gemachtes Buch mit einer ganz einfachen, beinahe sanften Geschichte über Freundschaft und Abschied. Schön, das es auch unter den Neuerscheinungen immer wieder feine, engagierte Bücher gibt, die sich vom Mainstream abheben.

Mehr davon bitte!

DIANA AND HER RHINOCEROS von Edward Ardizzone

Erstmals erschienen 1964 bei The Bodley Head Ltd.

Edward Ardizzone- ein wunderbares Buch.

Was Novalis hier so schön über Freundschaft, Liebe  und Pietät sagt, gilt uneingeschränkt auch für dieses Buch:

„Freundschaft, Liebe und Pietät sollten geheimnisvoll behandelt werden.

Man sollte nur in seltnen, vertrauten Momenten davon reden,

sich stillschweigend darüber einverstehn.

Vieles ist zu zart, um gedacht,

noch mehreres, um besprochen zu werden.“

Mehr wird nicht verraten.

Enjoy.

ELOISE von Kay Thompson

Die Originalausgabe erschien 1955 bei Simon & Schuster, New York.

Ein hinreißendes, überaus originelles Buch der Eloise Reihe aus dem Jahre 1955, welches in lediglich 2 Farben großzügig Esprit und Glamour versprüht. Es schildert die Geschichte der kleinen Eloise, die mit ihrem Kindermädchen im berühmten Plaza Hotel wohnt, während ihre Mutter viel auf Reisen ist, und dieses auf die ein oder andere kreative Art und Weise zu ihrem Spielplatz macht.
Authentisch bis zum Abwinken und mit wahnsinnigen Illustrationen von Hilary Knight, die an Lebendigkeit und Lässigkeit nicht zu überbieten sind.
Ein Augenschmaus für Menschen, die leichte, wie aus dem Handgelenk geschüttelt wirkende Federzeichnungen lieben.
Ein Meisterwerk.

KNIGI von Benjamin Sommerhalder

Erstmals 2011 bei NIEVES, Zuerich unter dem Titel „Ghost Knigi“,
2014 nun  bei DIOGENES, als schlicht und einfach „Knigi“ erschienen.

Text und Bilder von Benjamin Sommerhalder.

Knigi ist ein Buch, von dem ich eigentlich dachte, dass es sich um einen Klassiker handelt, der mir bereits aus den 80er Jahren vertraut war. So war ich denn auch recht überrascht, dass dieses Buch tatsächlich von 2011 ist. Als ich das Buch dann in den Händen hielt, war ich zum Schluss der Lektüre erst einmal ein wenig enttäuscht, da ich aufgrund der starken Bilder eine überraschendere und lustigere Geschichte erwartet hatte. Erst bei der wiederholten Lektüre wurde mir die Rundheit und Schönheit des Buches offenbar. Die Geschichte ist denkbar kurz und sehr simpel: Ein Geist entdeckt die Fähigkeit, mit Hilfe seiner Fantasie, oder seiner Träume weiße Bücher mit bunten Farben zu füllen. Klingt eigentlich etwas zu didaktisch um den Stoff einer anständigen Geschichte abzugeben. Klingt eigentlich auch recht kitschig.

Dennoch muss man gestehen, dass das Buch dank seiner zeitlos schönen Illustrationen, die ein wenig an die mittlerweile leider inflationär gebrauchte Ästhetik des wunderbaren David Shrigley erinnern, durchaus einen Gewinn darstellt. Dies gelingt dem Buch auch durch den zwischen den Zeilen sympathisch zurückhaltenden Wortwitz, welcher Knigi zu einem kleinen Geniestreich und vielleicht auch einmal zu einem Klassiker macht.

In Zeiten der Übersättigung, der lauten Töne und schrillen Farben, denen sich auch die Kinder pädagogisch gebildeterer Schichten nur schwer erwehren können, hat es das schwarz/weiss Gespenst Knigi vermutlich schwer, sich im Kinderzimmer durchzusetzen. Aber das will der Geist auch gar nicht – er spukt einfach leise und homöopathisch durch die nur halb bewussten Kapillare der kindlichen Seele und hinterlässt dort eine Botschaft, die einmal ganz gewiss aufgehen wird.

DER DRACHE VON AVIGNON von Heidrun Petrides und Jürgen Tamchina

Erschienen 1968 im Atlantis Verlag.
Bilder von Heidrun Petrides, Text von Jürgen Tamchina

Ein besonderes und unprätentiöses Buch. Die Bilder von Heidrun Petrides sind schlicht und wirken trotz vieler liebevoller Details angenehm unaufdringlich und bescheiden. Hier gibt es keine Effekte und lauten Farben und dennoch gelingt es den Illustrationen zu verzaubern und in eine längst vergangene Welt zu entführen. Die Geschichte handelt unter anderem von eben jener Brücke von Avignon, von der auch das berühmte Lied Sur le pont d´Avignon handelt. Im wesentlichen geht es aber um die Freundschaft eines kleinen Mädchens zu einem nicht ganz furchtbaren Drachen.

IL GRANDE GATTO von Sabine

IL GRANDE GATTO von Sabine ist bei Emme Edizione erschienen.

Das Buch wurde in Italien im Jahr 1973 herausgegeben und ist offenbar seither nicht wieder publiziert worden. Überhaupt findet man kaum Informationen über das Buch oder die Illustratorin mit dem schlichten Namen Sabine.

cop grande gatto bassa

Beeindruckend an diesem Bilderbuch sind die zeitlos schönen, naiven und liebevoll gearbeiteten Bilder. Vor allem fällt die ungewöhnliche Wahl der Perspektiven auf. Die ungewöhnlichen Blickwinkel überzeugen  genauso sehr wie die phantasievollen Größenverhältnisse. Die Farben sind sehr kräftig und pur, sie schaffen eine überaus eigene und ausdrucksstarke Stimmung. Die Figuren wirken seltsam steif, beinahe wie eingefroren in ihren Bewegungen und muten gerade deshalb sehr lebendig an. Auch dieses Buch hat wie ich finde eine selten anzutreffende Ursprünglichkeit, etwas beinahe archaisches, kraftvolles mit einer wohldosierten Priese Augenzwinkern und Humor. Alles erscheint hier wunderbar aus einem Guss und so erstaunt es nicht im Geringsten, dass Il Gato im Jahre 1973 rote Turnschuhe trägt, einer Zeit als Converse`s All Stars noch wenig en vogue waren.

Ich danke Valentina Gazzoni vom Kinderbuchblog L´Aeroplaneo di Biscotto, die die folgenden Abbildungen freundlicherweise zur Verfügung gestellt hat.

IL GRANDE GATTO

il grande gatto

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EIN MÄRCHEN von Blexbolex

Zum Ende des Jahres 2013 ist bei Jacoby & Stuart das schmucke Bilderbuch „Ein Märchen“ von Blexbolex erschienen.

blexbolex

Das Buch ist in mancherlei Hinsicht etwas Besonderes, weshalb es mich reizt, es hier vorzustellen. Als erstes fällt das liebevoll gestaltete Äußere des Buches auf: Das kleine Bilderbuch ist schön gebunden und bis zum Bersten mit schlichten, grafischen, Motiven gefüllt.  Die Darstellungen sind von beeindruckender Vielfalt, ein Umstand der gleichzeitig Segen  und Fluch des Buches ist: Blexbolex erzählt hier keine lineare Geschichte, sondern wagt eine mäandernde und an vielen Stellen ans irrational rührende und an die Archetypen der klassischen Märchenwelt angelehnte Erzählform. Dem Text der Geschichte gelingt es allerdings nicht, an eine zumindest gefühlte  innere Logik anzuknüpfen. Was die Bilder betrifft, schmerzt es einen beinahe, denn die wirklich schönen Darstellungen des Buches verlieren irgendwann zwangsläufig an Kraft, weil so viele starke Bilder aneinander gereiht sind. Es ist so, als sehe man 1000 starke Zeichnungen Picassos in einer Folge – eine Menge, die kaum ein Sterblicher zu bewältigen in der Lage ist.

Da das Buch sich ausdrücklich an Kinder und Erwachsene richtet, muss man fairerweise bemerken, dass Kinder mit dem Umfang und der Logik des Buches vielleicht weniger Probleme haben, da sie mit weniger strengem Raster an ein Buch herangehen als Erwachsene. Im besten Falle hält ein Kind ein beinahe enzyklopädisches Märchenbilderbuch in Händen, in dem es tatsächlich über Stunden neue  Bilddetails und Geschichten zu entdecken gibt.

Ein mutiges und ambitioniertes Buch welches sich genausogut im Bücherregal des grafisch versierten Erwachsenen als auch im Zimmer des stilsicher kultivierten Grosstadtkindes macht.

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